Der dienstunfähige Richter – und die Entscheidung per Gerichtsbescheid

Die Richterdienstkammer beim Landgericht ist nicht berechtigt, über ein Prüfungsverfahren wegen Versetzung eines Richters in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (§ 34 DRiG) durch Gerichtsbescheid gemäß § 84 Abs. 1 VwGO zu entscheiden.

Nach §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG und § 87 Abs. 1 HmbRiG gelten für die Verfahren nach § 72 Abs. 1 Nr. 3 d) HmbRiG die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Zwar lässt der Wortlaut von § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.m. § 87 Abs. 1 HmbRiG auch eine Auslegung zu, wonach die Anordnung der sinngemäßen bzw. entsprechenden Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung die Anwendbarkeit von § 84 VwGO erfasst.

Die rahmenrechtlich gemäß § 83 DRiG i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG vorgegebene sinngemäße Geltung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung bedeutet aber deren Anwendbarkeit nur, soweit sich diese mit der Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens im Deutschen Richtergesetz vereinbaren lässt.

Die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck der Regelung sprechen dafür, die Bestimmung über den Gerichtsbescheid als von der entsprechenden bzw. sinngemäßen Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung nicht erfasst anzusehen1.

Wird von der Richterdienstkammer gleichwohl per Gerichtsbescheid entschieden, führt dieser von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmangel indessen nicht dazu, dass der Richterdienstsenat verpflichtet gewesen wäre, die Sache gemäß § 130 Abs. 2 VwGO an die Richterdienstkammer zurückzuverweisen. Denn der Richterdienstsenat kann durch Urteil nach mündlicher Verhandlung entscheiden, in dem er ausführt, von einer Zurückverweisung abzusehen und in der Sache selbst zu entscheiden. Eine solche Vorgehensweise ist rechtlich nicht zu beanstanden2. Gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darf die Sache nur zurückverwiesen werden, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist3. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO kommt eine Aufhebung der Sache ferner in Betracht, wenn das erstinstanzliche Gericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Eine solche Fallkonstellation eines Nicht- oder Scheinurteils erster Instanz ist hier jedoch nicht gegeben; die Richterdienstkammer hat in der Sache entschieden, mag sie hierfür auch die fehlerhafte Form des Gerichtsbescheids gemäß § 84 VwGO verwendet haben.

Soweit der Bundesgerichtshof mehrfach durchgreifende Verstöße gegen § 84 VwGO angenommen hat, betraf dies ausschließlich Fälle, in denen die unmittelbar mit der Revision angefochtene Entscheidung in Gestalt eines unzulässigen Gerichtsbescheids ergangen war4. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor, da der Richterdienstsenat seinerseits durch Urteil entschieden und dem Antragsgegner die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eröffnet hat, damit er dort durch seinen mündlichen Vortrag und das Rechtsgespräch mit dem Dienstgericht seine Sichtweise mündlich erläutern kann5. Aus den genannten Gründen liegt hier auch kein Verstoß des Richterdienstsenats gegen Art. 97, Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 130b VwGO vor.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Juli 2018 – RiZ(R) 1/18

  1. ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. BGH, Urteile vom 13.02.2014 – RiZ(R) 5/13, NJW-RR 2014, 702 Rn. 1115; vom 14.10.2013 – RiZ(R) 5/12, BGHZ 198, 285 Rn. 1321; und RiZ(R) 6/12 []
  2. vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18.08.1987 – RiZ(R) 2/87, NJW 1988, 418 unter 2 13] []
  3. vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO 24. Aufl. § 130 Rn. 10 []
  4. vgl. BGH, Urteile vom 13.02.2014 – RiZ(R) 5/13, NJW-RR 2014, 702 Rn. 8, 1115; vom 14.10.2013 – RiZ(R) 5/12, BGHZ 198, 285 Rn. 10, 13; und RiZ(R) 6/12, Rn. 15, 17 []
  5. vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2013 – RiZ(R) 5/12, BGHZ 198, 285 Rn.20 []