Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den BAT
Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Eingruppierungs- und Vergütungsbestimmungen des BAT ist zwar zeitdynamisch, aber nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet.
Sie ist deshalb mit der Ablösung des BAT durch den TVöD und den TV-L lückenhaft geworden. Die mit der Ersetzung des BAT entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Dies führt zur Anwendbarkeit der Entgeltordnung (hier:) des TVöD/VKA auf das Arbeitsverhältnis.
Die im Arbeitsvertrag enthaltene zeitdynamisch ausgestaltete Verweisung auf die Vergütungsordnung des BAT ist infolge der Ablösung dieses tariflichen Regelungswerks zu einer statischen geworden, weil das Bezugnahmeobjekt von den Tarifvertragsparteien nicht mehr weiterentwickelt wird. Ein damit verbundenes “Einfrieren” der Vergütung auf diesem Stand entsprach jedoch nicht dem Willen der Parteien. Der Vertrag ist nachträglich lückenhaft geworden, weil die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf der Dynamik der tarifvertraglichen Vergütungsregelungen aufbaute.
Diese nachträglich entstandene Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Dabei tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt. Das gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat.
In Anwendung dieser Grundsätze ist für das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1.10.2005 die Entgeltordnung des TVöD/VKA maßgebend.
Die ergänzende Vertragsauslegung bedeutet vorliegend in einem ersten Schritt, dass die Parteien redlicherweise für den Fall der hier vorliegenden Tarifsukzession des im Arbeitsvertrag benannten tariflichen Regelungswerks ein nachfolgendes tarifliches Regelungswerk des öffentlichen Dienstes vereinbart hätten, weil eine statische Regelung der Arbeitsbedingungen auf den Zeitpunkt der bestehenden Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach. Die Parteien haben mit der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das Tarifwerk des BAT die Regelungen der Arbeitsbedingungen für die Zukunft der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut.
Wegen der Aufspaltung der bis zum 30.09.2005 gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei Bund, Ländern und Kommunen ist in einem weiteren Schritt zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung der Arbeitnehmerin maßgebend sein soll. Dabei ist zu ermitteln, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie bei ihrer vertraglichen Vereinbarung – auf die Betriebsvereinbarung 1993 kommt es hierbei nicht an – eine Tarifsukzession bedacht hätten. Dies ist im Streitfall der TVöD in der im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung, weil die Arbeitgeberin aufgrund ihrer Aufgaben am ehesten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Unternehmensgruppe, der die Arbeitgeberin angehört, bundesweit tätig ist. Mehrere Unternehmen eigener Rechtspersönlichkeit einer Unternehmensgruppe bilden keine dem Bund als oberster territorialer Körperschaft des öffentlichen Rechts vergleichbare Einheit. Entscheidend ist vielmehr, welche Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts die Aufgaben wahrnehmen würde, also die Zuordnung der Aufgaben innerhalb der Gebietskörperschaften des öffentlichen Dienstes und nicht, dass die Arbeitgeberin Schwesterunternehmen in anderen Kommunen oder Ländern hat, die sich derselben Aufgabe widmen. Vorliegend sind das die Kommunen als Körperschaften des öffentlichen Rechts für Selbstverwaltungsangelegenheiten.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. April 2018 – 4 AZR 265/17