Die im laufenden Klageverfahrens aufgehobene/ersetzte Regelbeurteilung

Das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren des Antragstellers hat sich mit der Aufhebung der streitgegenständlichen Regelbeurteilung des Antragstellers und den zwischenzeitlichen Erlass der neuen Regelbeurteilung zum selben Stichtag erledigt1.

Hat sich ein Verpflichtungsbegehren – wie hier in Bezug auf eine neue Regelbeurteilung – erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, ob das Unterbleiben der Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Das berechtigte Interesse ist typischerweise in den auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts2 anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses gegeben, kann aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls hergeleitet werden, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern3.

Im vorliegenden Fall gebietet es die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs. 4 GG), ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens zu bejahen. Denn dieses Verfahren ist bereits zur Entscheidungsreife gediehen und der Antragsteller müsste mit Blick auf die neue Beurteilung ein weiteres Beschwerdeverfahren und im Anschluss daran ein gerichtliches Antragsverfahren mit den jeweils erwartbaren zeitlichen Verzögerungen durchlaufen, in denen sich wegen der Inhaltsgleichheit der aufgehobenen und der neuen Regelbeurteilung exakt dieselben Fragen wie in dem gegenwärtigen Verfahren stellen würden. Zudem macht der Antragsteller nicht nur Verstöße gegen die Beurteilungsrichtlinien geltend. Er rügt auch die mangelnde Verfassungskonformität der maßgeblichen Verwaltungsvorschriften. Dieser Einwand betrifft auch die neue Regelbeurteilung, ohne dass es darauf ankommt, wie der zuständige Beurteiler hierbei von seinem höchstpersönlichen Bewertungsspielraum Gebrauch macht oder ob er bei der Neuerstellung die Vorgaben der Allgemeinen Regelung (AR) A-1340/50 rechtskonform auslegt und anwendet. Insoweit ist die Fortsetzung des Verfahrens geeignet, die Position des Antragstellers zu verbessern und ihm die Früchte seiner bisherigen Prozessführung jedenfalls in zeitlicher Hinsicht zu erhalten. Sie trägt damit auch dem Gedanken der Prozessökonomie Rechnung.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. August 2023 – 1 WB 60.22

  1. vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21.11.1995 – 1 WB 35.95 4; und vom 01.03.2023 – 1 WB 45.21, NVwZ-RR 2023, 772 Rn. 24 []
  2. BVerwG, Beschluss vom 25.11.2021 – 1 WB 28.20 17 m. w. N. []
  3. s. dazu BVerwG, Urteil vom 29.03.2017 – 6 C 1.16, BVerwGE 158, 301 Rn. 29 m. w. N. []