Eingruppierung von Lehrern – und der rumänische Hochschulabschluss
Erfüllt ein angestellter Lehrer, der nach § 12 Abs. 1 TV-L idF des § 3 TV EntgO-L iVm. der Anlage zum TV EntgO-L zu besolden ist, mit seinem in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erworbenen Hochschulabschluss noch nicht die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, so unterfällt er nicht Abschnitt 1 der Anlage zum TV EntgO-L. Er ist vielmehr nach den damit einschlägigen Bestimmungen in Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L tarifgerecht zu vergüten.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall schloss der Lehrer im Juli 2000 in Rumänien eine fünfjährige kombinierte Ausbildung zum Erzieher und Grundschullehrer mit dem „Diploma de Bacalaureat“ ab. Im Jahr 2005 beendete er an einer rumänischen Universität mit dem „Diploma de Licenta“ erfolgreich ein Studium der Geschichte sowie der deutschen Sprache und Literatur. Damit war der Lehrer berechtigt, in Rumänien an deutschsprachigen Gymnasien bis einschließlich der zwölften Jahrgangsstufe die Fächer Geschichte und Deutsch zu unterrichten. Bis Januar 2015 war er mehrere Jahre als Lehrkraft an einem rumänischen Gymnasium tätig. Vom 1.02.2015 bis zum 31.01.2016 war der Lehrer als sog. Ortslehrkraft an einer kooperativen Gesamtschule in Niedersachsen beschäftigt. Ab 4.04.2016 unterrichtete er zunächst an einer Hauptschule und dann an einer Oberschule.
Die Voraussetzungen der in Anspruch genommenen Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a bzw. Ziff. 3 Satz 1 Buchst. a des Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L sind nicht erfüllt.
Beide Tatbestände setzen den Abschluss einer (wissenschaftlichen) Hochschulbildung „und“ die fachlichen Voraussetzungen zum Unterrichten in mindestens einem Schulfach aufgrund des Studiums voraus. Nach dem eindeutigen Wortlaut sind beide Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ zu erfüllen.
Die Anlage zum TV EntgO-L unterscheidet zwischen inländischen und ausländischen Hochschulabschlüssen. Wurde der Abschluss an einer ausländischen Hochschule erworben, gilt er nach der Protokollerklärung Nr. 10 Buchst. a zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L nur dann als abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung, wenn er von der zuständigen Landesbehörde dem deutschen Hochschulabschluss gleichgestellt ist1. Die Protokollerklärung Nr. 10 Buchst. a zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L ist angesichts ihres eigenständigen Regelungsgehalts ein normativer Teil der Anlage zum TV EntgO-L2. Entgegen der Revision setzt sie eine Gleichstellungsentscheidung voraus, welche nach dem einschlägigen Landesrecht in einem förmlichen Verwaltungsverfahren getroffen wurde. In Niedersachsen wird dies durch §§ 35 ff. NLVO geregelt.
Die Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L verlangt eine Entscheidung der „zuständigen“ Landesbehörde, dh. es müssen die jeweiligen landesrechtlichen Vorgaben auch in formeller Hinsicht beachtet sein. Die Tarifvertragsparteien nehmen insoweit auf das jeweilige Landesrecht Bezug. Dies ermöglicht eine länderübergreifende tarifliche Regelung ohne Anpassungsbedarf bei Änderungen im Landesrecht.
Das niedersächsische Landesrecht sieht ein förmliches Verwaltungsverfahren bzgl. der Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen vor.
Grundsätzlich gilt das Niedersächsische Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Berufsqualifikationen3 vom 12.12 2012. Dieses Gesetz findet jedoch keine Anwendung, soweit berufsrechtliche Regelungen des Landes unter Bezugnahme auf dieses Gesetz etwas anderes bestimmen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 NBQFG).
Gemäß § 16 Abs. 2 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) vom 25.03.2009 findet das NBQFG bis auf hier nicht interessierende Ausnahmen keine Anwendung bzgl. der Laufbahnbefähigung durch Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen nach § 16 Abs. 1 NBG. Wer die Staatsangehörigkeit ua. eines Mitgliedstaats der Europäischen Union besitzt, kann demnach die Befähigung für eine Laufbahn auch durch Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen aufgrund der Richtlinie 2005/36/EG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/55/EU, erwerben. Die Anerkennung der Berufsqualifikationen kann unter den in Art. 14 der Richtlinie 2005/36/EG genannten Voraussetzungen von der erfolgreichen Ableistung eines Anpassungslehrgangs oder Ablegung einer Eignungsprüfung abhängig gemacht werden. Nach § 16 Abs. 1 Satz 3 NBG bestimmt die Landesregierung durch Verordnung das Nähere zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG.
Auf dieser Grundlage sieht die NLVO in den §§ 35 bis 42 Regelungen vor, die auch der Umsetzung der Richtlinienvorgaben dienen. Über einen Antrag auf Anerkennung der Berufsqualifikation entscheidet das für die angestrebte Laufbahn zuständige Ministerium oder die von ihm bestimmte Stelle (§ 40 Abs. 1 NLVO) nach den in der NLVO vorgesehenen Kriterien (vgl. §§ 36 ff. NLVO).
Die Durchführung eines solchen förmlichen Verwaltungsverfahrens durch die zuständige Behörde entspricht den Vorgaben des Unionsrechts nach Art. 13, 51 der Richtlinie 2005/36/EG4. Bereits die Vorgängerrichtlinie 89/48/EWG verlangte ein Verwaltungsverfahren mit der Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine ablehnende Entscheidung5. Die Ablehnung der Anerkennung einer Laufbahnbefähigung nach §§ 35 ff. NLVO kann vor dem zuständigen Verwaltungsgericht angefochten werden.
Das nach §§ 35 ff. NLVO durchgeführte Verfahren ist zugleich das von der Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L verlangte förmliche Verwaltungsverfahren der „zuständigen Landesbehörde“. Es ist zwar auf die Prüfung der „Anerkennung“ einer im Ausland erworbenen Qualifikation und nicht auf deren „Gleichstellung“ ausgerichtet. Unter Gleichstellung iSd. Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L ist jedoch eine Anerkennung zu verstehen, wenn das maßgebliche Landesrecht entsprechend der Richtlinie 2005/36/EG diesen Begriff verwendet. Das nach unionsrechtlichen Vorgaben ausgestaltete Anerkennungsverfahren ist dann auch das „Gleichstellungsverfahren“ iSd. Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Tarifvertragsparteien keine eigenen Kriterien für die Gleichstellung benannt haben. Es besteht daher kein Zwang zur Durchführung eines gesonderten Verfahrens.
Im streitgegenständlichen Zeitraum war der in Rumänien erworbene Hochschulabschluss des Lehrers einem deutschen Hochschulabschluss nicht gleichgestellt.
Die Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L verlangt die Gleichstellung eines Abschlusses an einer ausländischen Hochschule mit dem deutschen Hochschulabschluss. Die Tarifregelung stellt auf die formale Qualifikation des Hochschulabschlusses ab. Ein solcher ist nicht teilbar. Nicht ausreichend ist damit eine teilweise Gleichstellung in dem Sinne, dass die im Ausland erworbene Qualifikation bzgl. einzelner Ausbildungsinhalte anerkannt wird. Dies gilt auch dann, wenn diese von anderen Ausbildungsinhalten abgrenzbar sind.
Das Niedersächsische Kultusministerium war für das Verfahren nach §§ 35 ff. NLVO zuständig und hat mit seinem Schreiben vom 02.12 2015 das „Lizenziatendiplom“ des Lehrers noch nicht vollständig dem deutschen Hochschulabschluss gleichgestellt. Es wurde nur die Berechtigung zur Erteilung von Unterricht im Fach Deutsch an Haupt- und Realschulen oder Oberschulen bzw. der entsprechenden Zweige der Gesamtschulen anerkannt. Im Übrigen wurde eine Ausgleichsmaßnahme verlangt. Es handelte sich mithin nur um eine Teilanerkennung der rumänischen Ausbildung des Lehrers und nicht um eine vollständige Gleichstellung seines Hochschulabschlusses mit dem deutschen Hochschulabschluss. Diese Entscheidung hat der Lehrer nicht im Verwaltungsrechtsweg angegriffen. Sie ist damit auch für die Gerichte für Arbeitssachen bindend6.
Der Lehrer wurde für den streitgegenständlichen Zeitraum daher gemäß Abschn. 2 Ziff. 4 der Anlage zum TV EntgO-L zutreffend nach Entgeltgruppe 9 TV-L vergütet. Als Lehrer an einer Haupt- bzw. Oberschule wäre er als Beamter im Eingangsamt nach Besoldungsgruppe A 12 vergütet worden7. Nach Abschn. 2 Ziff. 4 der Anlage zum TV EntgO-L entspricht dies Entgeltgruppe 9 TV-L.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 5. September 2019 – 6 AZR 454/18
- ebenso Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 4 zu Teil I der Entgeltordnung zum TV-L [↩]
- vgl. BAG 13.06.2019 – 6 AZR 392/18, Rn. 15 [↩]
- Niedersächsisches Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz – NBQFG [↩]
- vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand September 2015 Teil IIIb Anlage zum TV EntgO-L 3/2 – Nichterfüller, Lehramtslehrkräfte Rn. 500 ff. [↩]
- vgl. BAG 12.12 2002 – 8 AZR 37/02, zu B II 3 b bb (4) der Gründe; 24.05.2000 – 10 AZR 209/99, zu II 1 b der Gründe [↩]
- vgl. BAG 24.05.2000 – 10 AZR 209/99, zu II 1 b der Gründe [↩]
- vgl. Anlage 1 zum Niedersächsischen Besoldungsgesetz [↩]




