TVöD – und die Stufenlaufzeit in Fällen einer korrigierenden Höhergruppierung
Nach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT beginnt die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe mit dem Tag der Höhergruppierung. Die Stufenlaufzeit ist nach § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA) innerhalb derselben Entgeltgruppe zurückzulegen1.
Der Begriff der Höhergruppierung wird in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes entsprechend dem allgemeinen Wortgebrauch meist im Sinne einer dauerhaften Übertragung von Tätigkeiten einer höheren Entgeltgruppe verwendet2. Auch die bloße Änderung einer bestehenden Eingruppierungsordnung kann zu einer Höhergruppierung im Sinne einer Einordnung in eine höhere Entgeltgruppe führen, denn den Tarifvertragsparteien steht es grundsätzlich frei, Tätigkeiten im eingruppierungsrechtlichen Sinne neu zu bewerten3. Hiervon abzugrenzen ist die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit4.
Bei einer Korrektur der Eingruppierung ist zu differenzieren.
Es liegt keine Höhergruppierung im Tarifsinne vor, wenn der Beschäftigte aufgrund einer falschen Bewertung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber schon seit der Einstellung irrtümlich nach einer niedrigeren Entgeltgruppe vergütet wurde und der Arbeitgeber diesen Fehler korrigieren will. Einer solchen Änderung der Eingruppierung liegt keine Veränderung der Tätigkeit oder der Eingruppierungsregelungen zu Grunde. Aufgrund der Tarifautomatik der Eingruppierung (§ 12 TVöD-AT [VKA] iVm. Anlage 1 – Entgeltordnung [VKA]) befand sich der Beschäftigte vielmehr eingruppierungsrechtlich schon seit dem Zeitpunkt, in dem die tariflichen Eingruppierungsmerkmale der höheren Entgeltgruppe erfüllt waren, in der höheren Entgeltgruppe und hat daher in dieser seitdem durchgehend Berufserfahrung erworben5. Er ist daher nach der Korrektur der Eingruppierung in der höheren Entgeltgruppe der Stufe zuzuordnen, der die Zeit in dieser Tätigkeit entspricht. Die Stufenzuordnung ist nach § 16 TVöD-AT (VKA) in der höheren Entgeltgruppe neu vorzunehmen und nach der Stufenfindung die Stufenlaufzeit nachzuzeichnen6. § 17 Abs. 4 TVöD-AT kommt in dieser Konstellation nicht zur Anwendung7. Bezogen auf die Vergangenheit wird der Anspruch auf Entgelt nach der höheren Entgeltgruppe allerdings durch die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 TVöD-AT begrenzt8.
Hiervon zu unterscheiden ist eine nach der Einstellung, dh. im Laufe des Arbeitsverhältnisses, aufgrund Tätigkeits- oder Regelungsveränderung nach dem Grundsatz der Tarifautomatik eingetretene Höhergruppierung, welche nicht umgesetzt wurde. Wird der Tarifautomatik später im Wege der sog. „korrigierenden Höhergruppierung“ Rechnung getragen, handelt es sich unverändert um eine Höhergruppierung iSd. § 17 Abs. 4 TVöD-AT. Die Tarifautomatik bewirkt, dass die Korrektur auf das Datum der Übertragung der Tätigkeit bzw. der Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals zurückwirkt9. Dementsprechend beginnt auch die Stufenlaufzeit rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Höhergruppierung10.
Die entgegenstehende Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg11, wonach gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT bei Korrekturen stets an den Zeitpunkt der Höhergruppierung anzuknüpfen sei, lässt außer Acht, dass sich der tariflich maßgebliche Zeitpunkt der Höhergruppierung allein nach dem in sich geschlossenen tariflichen Vergütungssystem bestimmt. Gleiches gilt bezüglich der in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht zum Ausdruck gebrachten Überlegung der beklagten Stadt, wonach § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT seinem Wortlaut nach auch auf vertraglich vereinbarte Höhergruppierungen Anwendung finde. Dies ist zwar für sich betrachtet zutreffend, eine derart isolierte Anwendung von § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT wäre aber mit der Einbettung der Norm in den tariflichen Gesamtzusammenhang nicht vereinbar. Mit der korrigierenden Höhergruppierung soll den tariflichen Regelungen im Ganzen zur Geltung verholfen werden. § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD-AT greift daher nur bei nach dem Grundsatz der Tarifautomatik erfolgenden Höhergruppierungen.
Ungeachtet dessen beginnt bei übertariflich vereinbarten Höhergruppierungen die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe mit dem Tag der Höhergruppierung, wenn die Parteien nichts Abweichendes regeln. Nach dem auch bei übertariflichen Höhergruppierungen weiter zu beachtenden Zweck des Stufensystems des TVöD-AT bedarf es einer ausdrücklichen Anordnung, wenn in anderen Entgeltgruppen erworbene Stufenlaufzeiten in eine höhere oder niedrigere Entgeltgruppe „mitgenommen“ werden sollen12.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. Dezember 2022 – 6 AZR 459/21
- vgl. hierzu BAG 1.06.2017 – 6 AZR 741/15, Rn. 17, BAGE 159, 214 [↩]
- BAG 18.02.2021 – 6 AZR 702/19, Rn.19, BAGE 174, 63 [↩]
- BAG 7.02.2019 – 6 AZR 44/18, Rn. 24 [↩]
- BAG 3.07.2014 – 6 AZR 1067/12, Rn. 18, BAGE 148, 312 [↩]
- zur Tarifautomatik vgl. BAG 2.06.2021 – 4 AZR 387/20, Rn. 12 [↩]
- Spelge ZTR 2020, 127; vgl. auch BeckOK TVöD/Felix TVöD-AT § 17 Stand 1.09.2022 Rn. 167 [↩]
- Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 17 Stand Januar 2015 Rn. 43; Conze/Karb/Wölk/Reidel 7. Aufl. Höhergruppierung, dauerhafte Rn. 1838; Spelge aaO [↩]
- BeckOK TVöD/Felix aaO [↩]
- vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Teil B 1 § 17 Stand Februar 2022 Rn. 67 [↩]
- vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 17 Stand Januar 2015 Rn. 43 [↩]
- LAG Baden-Württemberg 26.03.2021 – 12 Sa 85/20 [↩]
- vgl. BAG 1.06.2017 – 6 AZR 741/15, Rn. 17, BAGE 159, 214 [↩]