Bewerbungsverfahrensanspruch und Schadensersatz

Ein interner Stellenbewerber hat nach Abbruch des Stellenbesetzungsverfahren nur dann einen Anspruch, vergütungsmäßig so gestellt zu werden, als wäre er auf die Bewerbungsstelle eingestellt worden, wenn die Arbeitgeberin durch den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens den Bewerbungsverfahrensanspruch des Stellenbewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt hat.

Ein entsprechender Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 33 Abs. 2 GG kann zwar grundsätzlich daraus folgen, dass ein Bewerber die Stelle bei ordnungsgemäßer Auswahl hätte erhalten müssen, der Bewerbungsverfahrensanspruch jedoch durch einen rechtswidrigen Abbruch des Bewerbungsverfahrens untergegangen ist1. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Arbeitgeberin durch den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens den Bewerbungsverfahrensanspruch des Stellenbewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzt hat.

Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Bestimmung dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen Rechnung. Sie begründet grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Bewerbern steht deshalb bei der Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Öffentliche Ämter iSv. Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt2.

Der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch setzt dem Grundsatz nach voraus, dass die begehrte Stelle noch nicht besetzt ist. Für eine Neubescheidung ist kein Raum, wenn die Stelle dem erfolgreichen Konkurrenten rechtswirksam auf Dauer übertragen worden und damit nicht mehr verfügbar ist. Der unterlegene Bewerber hat regelmäßig keinen Anspruch auf „Wiederfreimachung“ oder Doppelbesetzung der Stelle. Nur wenn der öffentliche Arbeitgeber den effektiven Rechtsschutz des Bewerbers vereitelt, gilt eine Ausnahme. Dann ist es ihm entsprechend den Rechtsgedanken aus § 162 Abs. 2 BGB sowie aus §§ 135, 136 BGB verwehrt, dem übergangenen Bewerber die anderweitige Stellenbesetzung entgegenzuhalten. Der Bewerbungsverfahrensanspruch kann auch dadurch erlöschen, dass das Stellenbesetzungsverfahren ohne Ergebnis, dh. ohne Besetzung der Stelle, abgebrochen wird. Wie eine Übertragung der Stelle an einen Konkurrenten zieht auch ein Abbruch diese Rechtsfolge nur dann nach sich, wenn er rechtsbeständig ist3.

Die Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG an einen rechtmäßigen Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens unterscheiden sich danach, ob der öffentliche Arbeitgeber sich entscheidet, dieselbe Stelle in einem neuen Auswahlverfahren zu besetzen, oder ob die Stelle mit dem ursprünglichen Zuschnitt nicht mehr besetzt werden soll.

Entscheidet sich der öffentliche Arbeitgeber, dieselbe Stelle in einem neuen Stellenbesetzungsverfahren zu besetzen, bedarf der Abbruch des bisherigen Auswahlverfahrens eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt. Der öffentliche Arbeitgeber kann demnach das Auswahlverfahren zum Beispiel abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann. Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen4.

Dagegen kann der öffentliche Arbeitgeber ein Stellenbesetzungsverfahren unter erleichterten Voraussetzungen abbrechen, wenn er entscheidet, die ausgeschriebene Stelle mit dem ursprünglich festgelegten Zuschnitt nicht mehr zu besetzen. Die Entscheidung über den Zuschnitt von ausgeschriebenen Stellen unterfällt dem weiten, dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsermessen des öffentlichen Arbeitgebers. Subjektive Rechte des Bewerbers gegen den neuen Zuschnitt der ausgeschriebenen Stelle bestehen nicht. Die Bereitstellung und Ausgestaltung von Stellen und deren Bewirtschaftung dienen allein dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben5. Das Organisationsermessen des öffentlichen Arbeitgebers wird durch den bloßen Umstand der Eröffnung eines Auswahlverfahrens nicht eingeschränkt. Denn die Ausschreibung begründet nicht das schutzwürdige Vertrauen der Betroffenen, dass sich der Arbeitgeber mit der Ausschreibung hinsichtlich seiner Organisationsgewalt unwiderruflich bindet6. Da die Entscheidung, eine bereits ausgeschriebene Stelle nicht mehr wie ursprünglich geplant zu besetzen, der personalwirtschaftlichen Entscheidung darüber gleichgestellt ist, ob und welche Stellen geschaffen und wie sie zugeschnitten werden sollen, ist die gerichtliche Kontrolle insoweit auf die Prüfung beschränkt, ob sich die Entscheidung zum Abbruch als willkürlich oder rechtsmissbräuchlich erweist7.

In formeller Hinsicht müssen die Bewerber von dem Abbruch rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen. Der öffentliche Arbeitgeber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er das Stellenbesetzungsverfahren ohne Stellenbesetzung endgültig beenden will8. Der für den Abbruch maßgebliche Grund muss, sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden9. Die Arbeitgeberin muss den Stellenbewerber in die Lage versetzen zu entscheiden, ob er den Abbruch hinnehmen oder Eilrechtsschutz suchen möchte10. Dies kann auch durch eine E-Mail erfolgen, es bedarf keines Einschreibens11. Angesichts des Umstands, dass es hier lediglich um das dem Bereich des Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerte Organisationsermessen des Dienstherrn geht, sind an die Dokumentationspflichten keine überhöhten Anforderungen zu stellen12.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. September 2024 – 8 AZR 368/22

  1. vgl. ausführlich BAG 12.12.2017 – 9 AZR 152/17, Rn. 32 ff., BAGE 161, 157 []
  2. st. Rspr., zuletzt BAG 25.07.2024 – 8 AZR 24/24, Rn. 23 mwN []
  3. BAG 12.12.2017 – 9 AZR 152/17, Rn. 34 mwN, BAGE 161, 157 []
  4. BAG 12.12.2017 – 9 AZR 152/17, Rn. 36 mwN, BAGE 161, 157 []
  5. vgl. BAG 25.07.2024 – 8 AZR 24/24, Rn. 24; BVerwG 10.12.2018 – 2 VR 4.18, Rn. 15 mwN []
  6. vgl. BVerwG 10.12.2018 – 2 VR 4.18, Rn. 16 mwN []
  7. vgl. BVerwG 10.12.2018 – 2 VR 4.18, Rn. 17 []
  8. BAG 12.12.2017 – 9 AZR 152/17, Rn. 37 mwN, BAGE 161, 157 []
  9. BVerfG 28.11.2011 – 2 BvR 1181/11, Rn. 23 mwN []
  10. vgl. BVerfG 28.11.2011 – 2 BvR 1181/11, Rn. 23 []
  11. vgl. BVerwG 26.01.2012 – 2 A 7.09, Rn. 28, BVerwGE 141, 361 []
  12. vgl. BVerwG 10.12.2018 – 2 VR 4.18, Rn.20 []