Die gerichtliche Überprüfung dienstlicher Beurteilungen

Dienstliche Beurteilungen sind gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar, weil den Vorgesetzten bei ihrem Werturteil über die Eignung, Befähigung und Leistung ein Beurteilungsspielraum zusteht1. D

Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an denen sich die Beurteilungspraxis im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ständig orientiert, kann das Gericht ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den normativen Regelungen für Beurteilungen in Einklang stehen2.

Die Regelbeurteilung ist aber rechtswidrig, wenn die Bewertung seiner Leistung im Beurteilungszeitraum nicht nachvollziehbar erläutert worden und der Dienstherr damit seiner Verpflichtung zur Plausibilitätssicherung nicht nachgekommen ist3. Steht eine auf Werturteilen beruhende Beurteilung zur gerichtlichen Überprüfung an, kann das Gericht nicht die Darlegung und den Nachweis der einzelnen „Tatsachen“ verlangen, die diesen Werturteilen in ihrem Ursprung auch zugrunde liegen. Ein solches Verlangen ließe außer Acht, dass die einem Werturteil zugrunde liegenden einzelnen tatsächlichen Vorgänge in der – zusammenfassenden und wertenden – persönlichen Beobachtung des Urteilenden verschmolzen und als solche nicht mehr feststellbar sind. Auch eine solche Beurteilung muss jedoch in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise klar abgefasst sein. Etwaige Defizite kann der Beurteiler im Rahmen der Eröffnung und Besprechung der dienstlichen Beurteilung ausgleichen, indem er dem Soldaten die getroffenen Werturteile und ihre Grundlagen näher erläutert. Die Verpflichtung zur Plausibilisierung der in einer dienstlichen Beurteilung enthaltenen Werturteile und die Darlegung von Zweifeln an der Richtigkeit dieser Werturteile stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander. Hält der Soldat die dienstliche Beurteilung trotz einer Erläuterung durch den Dienstherrn für nicht hinreichend plausibel, liegt es an ihm, konkrete Punkte zu benennen, die er entweder für unklar oder für unzutreffend hält. Hat der Dienstherr seinen Standpunkt etwa in Gesprächen dargestellt, genügt es danach nicht mehr, Einzelbewertungen oder das Gesamturteil als nicht nachvollziehbar zu bezeichnen. In einer solchen Situation liegt es vielmehr am Soldaten klarzustellen, hinsichtlich welchen Werturteils und aus welchem Grund er einen weiteren Erläuterungsbedarf sieht4. Entspricht der Soldat diesen Anforderungen, etwa im Beschwerdeverfahren, ist der Dienstherr gehalten, der Kritik nachzugehen und sich mit ihr auseinanderzusetzen, um seiner Plausibilisierungspflicht zu genügen und hierdurch die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung zu wahren5

Die Regelbeurteilung bedarf überdies für die vom Beurteilten im Beurteilungszeitraum erbrachten wesentlichen Tätigkeiten einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Kann der Beurteiler die Leistungsbewertung nicht für den gesamten Beurteilungszeitraum auf seine eigene Anschauung stützen, so hat er, um eine aussagekräftige Tatsachengrundlage für seine Bewertung zu erhalten, Beurteilungsbeiträge sachkundiger Personen einzuholen. Als solche sachkundigen Personen kommen vorrangig, aber nicht ausschließlich, die früher für die Beurteilung Zuständigen sowie Personen in Betracht, die die Dienstausübung des Soldaten aus eigener Anschauung kennen6.

Auch Nr. 514 Satz 1 AR A-1340/50 legt die Einholung von Beurteilungsbeiträgen in das pflichtgemäße Ermessen des beurteilenden Vorgesetzten; dieses Ermessen reduziert sich jedoch auf Null, wenn keine anderen Erkenntnisgrundlagen vorhanden sind7.

Als wesentlich sind Aufgaben bzw. Tätigkeiten anzusehen, wenn sie für den Dienstposten prägend waren8. Das ist der Fall, wenn sie von dem betroffenen Soldaten über einen längeren Zeitraum wahrgenommen worden sind. Nr. 509 Satz 1 AR A-1340/50 präzisiert, dass ein Beurteilungsbeitrag grundsätzlich nur zu erstellen ist, wenn sich ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten ergibt. Dies muss auch gelten, wenn besondere dienstliche Aufgaben und Tätigkeiten für eine fremde Dienststelle nicht über einen zusammenhängenden längeren Zeitraum, aber kontinuierlich bzw. fortlaufend über kürzere nicht zusammenhängende Zeiträume wahrgenommen werden.

Außerdem ist zu beachten, dass die für den einzelnen Beurteiler maßgebliche Vergleichsgruppe so hinreichend homogen sein muss, dass für alle Gruppenmitglieder im Wesentlichen dieselben Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten. Nur dann können diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Soldaten miteinander verglichen und in eine bestimmte Rangfolge nach der Notenskala gebracht werden. § 3 Abs. 2 Satz 1 SLV bezeichnet als hinreichend homogen neben der Gruppe der Soldaten desselben Dienstgrades und derselben Besoldungsgruppe auch die Gruppe der Soldaten derselben Funktionsebene. Bei der auf diese Weise gebildeten Vergleichsgruppe ist das Kriterium für die Gruppenzugehörigkeit die Innehabung eines Dienstpostens mit weitgehend denselben Anforderungen; die Ähnlichkeit der verrichteten Aufgaben ist der tragende Grund für die Vergleichbarkeit. Bei der Vergleichsgruppenbildung nach Funktionsebenen werden die Leistungsanforderungen nicht aus dem Statusamt hergeleitet, sondern daran orientiert, welche Anforderungen die durch die Wahrnehmung der im Wesentlichen gleichen Aufgaben gekennzeichneten Dienstposten übereinstimmend stellen9. Nach Nr. 1 der Anlage 15.1 („Übersicht Vergleichsgruppen gemäß § 3 Absatz 2 SLV“) zur AR A-1340/50 dürfen Soldatinnen und Soldaten mit Leitungsfunktion grundsätzlich nicht mit Soldatinnen und Soldaten der Vergleichsgruppe ohne Leitungsfunktion verglichen werden.

Ausgehend von diesen Vorgaben erweist sich die Vergleichsgruppe nur dann als homogen, wenn der darin aufgelistete Sachgebietsleiter über keine Personalverantwortung verfügt hat. Bei allen Mitgliedern der Vergleichsgruppe handelt es sich um Offiziere des Truppendienstes, für die dieselben Anforderungen gelten und die grundsätzlich auch zumindest um einzelne Dienstposten miteinander konkurrieren können. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es nicht auf die konkrete Qualifikation bzw. Fachlichkeit der einzelnen Offiziere an. Dieser Umstand indiziert keinen erheblichen Unterschied in den Aufgaben der hier betrachteten Offiziere, der zu einer damit einhergehenden „kleinteiligeren“ Vergleichsgruppenbildung zwänge, weil das Bestehen einer Konkurrenzsituation als Voraussetzung der Homogenität sich nicht auf alle für den Antragsteller in Betracht kommenden Dienstposten beziehen muss. Denn die Anforderungen an die Homogenität einer Vergleichsgruppe dürfen nicht in einer Weise ausgestaltet werden, die es insbesondere in Zuständigkeitsbereichen mit kleineren Personalkörpern und hohem Spezialisierungsgrad nahezu ausschließt, dass Vergleichsgruppen die erforderliche oder eine noch hinnehmbare Mindestgröße erreichen. Eingedenk dieser Erwägungen ist es aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ohne Belang, dass drei der Offiziere über eine fliegerische, durch einen Militärluftfahrzeugführerschein ausgewiesene Kompetenz verfügen und zwei der Offiziere nicht.

Die Vergleichsgruppe erreicht allerdings nicht die erforderliche Mindestgröße und bewegt sich mit fünf Soldaten auch nicht am unteren Rand einer noch akzeptablen Mindestgröße. Das gilt auch für die Ebene des Zweitbeurteilers, auf der die Bildung einer größeren Vergleichsgruppe nicht in Betracht kommt. Die weiteren gebildeten Vergleichsgruppen bestehen entweder aus Inhabern von Dienstposten mit Leitungsfunktion oder Soldaten anderer Laufbahngruppen. Während aber eine (hier freilich nicht anzunehmende) fehlende Homogenität der Vergleichsgruppe dazu führt, dass die Soldaten nicht miteinander verglichen werden dürfen, führt die fehlende Größe der Vergleichsgruppe nur dazu, dass die Richtwerte keine unmittelbare Anwendung finden10.

Da eine unmittelbare Anwendung der Richtwerte wegen der nicht hinreichenden Größe der Vergleichsgruppe nicht in Betracht kommt, muss nach Nr. 2.2 Satz 1 der Anlage 15.4 („Hilfen für die Maßstabswahrung“) zur AR A-1340/50 eine Differenzierung in geeigneter Weise erfolgen. Dabei gilt als Anhalt, dass bei einer Fallzahl unter zehn ca. 45 % der zu Beurteilenden maximal den Notenstufen A bis C zugeordnet werden dürfen, verteilt auf die Notenstufen11. Diese Vorgaben dürfen jedoch nicht als zwingende Leitlinien missverstanden werden. Um die Gefahr einer schematischen Umsetzung zu vermeiden, sind sie vielmehr als Orientierungsrahmen zu betrachten, bei dessen Anwendung dem zuständigen Beurteiler ein Ermessensspielraum eingeräumt ist; die Annahme einer Bindung an die besagten Vorgaben wäre jedenfalls ermessensfehlerhaft.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. August 2023 – 1 WB 60.22

  1. stRspr, vgl. – auch zum Folgenden – BVerwG, Beschlüsse vom 16.07.2013 – 1 WB 43.12 38; vom 21.03.2019 – 1 WB 6.18 28; und vom 26.11.2020 – 1 WRB 2.19 24 m. w. N. []
  2. BVerwG, Beschluss vom 26.05.2009 – 1 WB 48.07, BVerwGE 134, 59 Rn. 30 m. w. N. []
  3. vgl. BVerwG, Urteile vom 26.06.1980 – 2 C 8.78, BVerwGE 60, 245 <247 ff.> vom 17.09.2015 – 2 C 27.14, BVerwGE 153, 48 Rn.20 f. sowie Beschluss vom 19.07.2018 – 1 WB 31.17, NVwZ-RR 2019, 54 Rn. 47 []
  4. BVerwG, Beschluss vom 19.07.2018 – 1 WB 31.17, NVwZ-RR 2019, 54 Rn. 46 []
  5. vgl. BVerwG, Urteil vom 01.03.2018 – 2 A 10.17, BVerwGE 161, 240 Rn. 37 []
  6. vgl. zu Beamten BVerwG, Urteil vom 27.11.2014 – 2 A 10.13, BVerwGE 150, 359 Rn. 21 f. m. w. N.; zur Pflicht, Beurteilungsbeiträge einzuholen s. BVerwG, Beschluss vom 04.02.2016 – 1 WB 30.15 34 []
  7. BVerwG, Urteil vom 16.10.2008 – 2 A 9.07, NVwZ 2009, 782 Rn. 35 f. []
  8. s. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31.05.2011 – 1 L 86/10 51; Bodanowitz, in: Schnellenbach/​Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Stand Mai 2023, Rn. 357 []
  9. BVerwG, Beschluss vom 25.10.2011 – 1 WB 51.10, BVerwGE 141, 113 Rn. 40 []
  10. vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.10.2011 – 1 WB 51.10, BVerwGE 141, 113 Rn. 46 []
  11. vgl. Nr. 2.2 Satz 2, 1. Spiegelstrich der Anlage 15.4 zur AR A-1340/50 []