Die Wahl hauptamtlicher städtischer Beigeordneter – und der unterlegene Bewerber
Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt einem Bewerber bei der Wahl eines Beigeordneten durch den Gemeinderat einen gerichtlich überprüfbaren Anspruch auf chancengleiche Ausgestaltung des Bewerbungsverfahrens.
In einem aktuell vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschiedenen Fall bewarb sich der klagende Stellenbewerber neben fünf weiteren Personen bei der beklagten baden-württembergischen Stadt für die Stelle des Ersten Beigeordneten. Der Gemeinderat wählte mit 15 Stimmen einen anderen Bewerber, der Stellenbewerber erhielt keine, ein weiterer Bewerber sieben Stimmen. Über den Ausgang der Wahl wurde der Stellenbewerber unmittelbar im Anschluss informiert. Einen Tag später bestellte die Stadt den erfolgreichen Stellenbewerber unter Aushändigung der Ernennungsurkunde zum Ersten Beigeordneten.
Hiergegen hat der Stellenbewerber im Folgemonat Widerspruch und später Klage erhoben. Das erstinstanzlich hiermit befasste Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Klage abgewiesen1. Auf die Berufung des klagenden Stellenbewerbers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Ernennung des erfolgreichen Konkurrenten zum Ersten Beigeordneten aufgehoben, da die Besetzung der Stelle mit dem erfolgreichen Bewerber den klagenden Stellenbewerber in seinem aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch verletze. Zwar sei die eigentliche Wahl des Beigeordneten einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Ausgestaltung des Stellenbesetzungsverfahrens unterliege aber einer gerichtlichen Überprüfung. Im vorliegenden Fall sei die Grenze zur unzulässigen Voreingenommenheit und damit zur Rechtswidrigkeit des Auswahlverfahrens überschritten. Schon bei der Schaffung und Ausgestaltung der Stelle des Beigeordneten habe für die Mehrheit des Gemeinderats festgestanden, dass der erfolgreiche Bewerber die Stelle erhalten solle2.
Auf die Revision der beklagten Stadt hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aufgehoben und das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wiederhergestellt:
Zwar beruht die Wahl zum Beigeordneten auf einem Akt demokratischer Willensbildung, weshalb der Wahlakt selbst einer inhaltlichen Kontrolle durch die Gerichte entzogen ist. Aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt sich aber ein Anspruch des Bewerbers auf chancengleiche Ausgestaltung der der Wahl vorgelagerten Verfahrensschritte. Verfahrensgestaltungen, die ohne sachlichen Grund eine unterschiedliche Behandlung des Bewerberfeldes vorsehen, verletzen den Bewerbungsverfahrensanspruch des benachteiligten Bewerbers. Die Einhaltung des Gebots der Chancengleichheit ist von den Gerichten auch daraufhin zu überprüfen, ob in der Person des (Mit-)Bewerbers gesetzlich bestimmte Voraussetzungen für das Wahlamt vorliegen und ob er ein etwaig zwingendes Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle erfüllt.
Ausgehend hiervon hat die beklagte Stadt den Anspruch des klagenden Stellenbewerbers auf chancengleiche Ausgestaltung des Bewerbungsverfahrens hier nicht verletzt. Aus dem Zuschnitt der neu geschaffenen Stelle eines Beigeordneten lässt sich grundsätzlich noch keine „Voreingenommenheit“ des Gemeinderats ableiten. Auch eine auf (kommunal-)politischen Erwägungen beruhende Willensbildung im Gemeinderat ist nicht zu beanstanden, wenn die formalen Anforderungen an ein rechtsstaatliches und dem Grundsatz der Chancengleichheit entsprechendes Verfahren gewahrt werden.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. April 2025 – 2 C 12.24




