Vorzeitiges Ausscheiden aus der Bundeswehr – und die Erstattung von Studienkosten
Für die Anwendung der Vorschriften über die Rückforderung von Ausbildungskosten im Soldatengesetz ist der Status maßgebend, den der Soldat im Zeitpunkt der Entlassung innehat, nicht der Status im Zeitpunkt seiner Ausbildung.
In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall ging es um die Rückforderung von Studienkosten nach vorzeitiger Beendigung des Berufssoldatenverhältnisses infolge Kriegsdienstverweigerung. Der Soldat wurde aufgrund einer von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung, zwölf Jahre Wehrdienst zu leisten, im Juli 1998 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes eingestellt und in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Er studierte von 1999 bis 2003 erfolgreich Sportwissenschaften an einer Universität der Bundeswehr. Anschließend absolvierte er in der Zeit von 2004 bis 2009 die von der Bundeswehr veranlasste und finanzierte Fachausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier. Währenddessen wurde er im Juli 2007 in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen. Ab November 2009 war er zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) beurlaubt worden. Im Februar 2011 beantragte er seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, wurde als solcher anerkannt und daraufhin im Mai 2011 aus dem Dienstverhältnis des Berufssoldaten entlassen. Mit Bescheid vom 15.02.2012 forderte die Bundeswehr die für die absolvierten Ausbildungen ersparten Aufwendungen in Höhe von 126 954, 86 € vom Soldaten zurück, zahlbar in verzinslichen monatlichen Raten.
Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren hat das Verwaltungsgericht Darmstadt den Leistungsbescheid und den Widerspruchsbescheid teilweise aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen1. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat nach entsprechender Zulassung der Berufung der Bundeswehr das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage gegen die Rückforderung der Ausbildungskosten insgesamt abgewiesen2; die Rückforderung der Kosten für das Studium sei zu Recht auf der Grundlage der im Zeitpunkt der Entlassung geltenden Erstattungsvorschrift für frühere Berufssoldaten erfolgt. Die militärische Ausbildung des Soldaten sei mit einem Studium verbunden gewesen, dessen Absolvierung – unabhängig von der Fachrichtung – zwingende Voraussetzung für die Ausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier der Luftwaffe gewesen sei. Die Höhe des Erstattungsbetrags sei von der Bundeswehr unter Berücksichtigung der Härtefallregelung ermessensfehlerfrei ermittelt worden.
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht als unbegründet zurück:
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann3. Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, „geht der Rückforderungsanspruch gerichtet auf Ausbildungskosten unter, wenn der ehemalige Soldat als Zeitsoldat eine Ausbildung absolvierte und nach Ende der ursprünglich festgesetzten Dienstzeit nunmehr im Status eines Berufssoldaten die Bundeswehr verlässt?“ Die weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung lassen mit Blick auf die divergierenden vorinstanzlichen Entscheidungen darauf schließen, dass es der Beschwerde um die Klärung geht, ob die Regelung über die Erstattung der Ausbildungskosten von Soldaten auf Zeit gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.19954 im Sinne des Urteils des Verwaltungsgerichts dahin zu verstehen ist, dass es für die grundsätzliche Verpflichtung zur Kostenerstattung auf den Status des Soldaten im Zeitpunkt seiner Ausbildung und darauf ankommt, ob er vor Ablauf einer der eingegangenen Verpflichtung entsprechenden Dienstzeit auf eigene Veranlassung aus dem Dienst der Bundeswehr ausscheidet. Diese Rechtsfrage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie kann auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mithilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig im Sinne des Berufungsurteils beantwortet werden:
Für die Anwendung der Vorschriften über die Rückforderung von Ausbildungskosten im Soldatengesetz ist der Status maßgebend, den der Soldat im Zeitpunkt der Entlassung innehat, nicht aber der Status im Zeitpunkt seiner Ausbildung, die in der Vergangenheit liegen kann. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rückforderung der Ausbildungskosten von Berufssoldaten gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 19955. Nichts Anderes gilt für die Vorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 über die Rückforderung der Ausbildungskosten von Soldaten auf Zeit6. Nach der im Wortlaut verwendeten Zeitform stellt § 56 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 auf eine militärische Ausbildung ab, die mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden „war“, und darauf, dass der Soldat auf Zeit auf seinen Antrag „entlassen worden ist“. Die Maßgeblichkeit des im Entlassungszeitpunkt innegehabten Status entspricht auch dem mit dem Erstattungsanspruch verfolgten Sinn und Zweck. Die Regelung ist – ebenso wie die nunmehr geltende Regelung des § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG i. d. F. des Art. 6 Nr. 21 Buchst. a des Gesetzes zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr (Bundeswehr-Einsatzbereitschaftsstärkungsgesetz – BwEinsatzBerStG) vom 04.08.20197 – darauf gerichtet, einen billigen Ausgleich für den Fall zu schaffen, dass der Zeitsoldat aufgrund eigenen Entschlusses vorzeitig das Dienstverhältnis auf Zeit beendet hat. Der Anspruch soll der dadurch eingetretenen Situation Rechnung tragen, dass für den ausgeschiedenen Zeitsoldaten die für ihn auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Fachkenntnisse und Fähigkeiten im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil darstellen, während für den Dienstherrn die Kosten der Ausbildung insgesamt oder teilweise vergeblich aufgewendet worden sind. Die Gesetzessystematik bestätigt dieses Verständnis. Die generelle Rückzahlungsverpflichtung für Soldaten auf Zeit wurde durch Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung des Wehrrechts und des Zivildienstrechts vom 24.02.19838 in die Vorschrift des § 56 SG über die Folgen der Entlassung eines Soldaten auf Zeit aufgenommen und systematisch in den Zusammenhang mit den bestehenden Vorschriften über die Folgen der Entlassung eines Berufssoldaten und der dort geregelten Erstattung von Ausbildungskosten bei deren Entlassung gestellt. Für den letzteren Rückforderungsanspruch war zu dieser Zeit bereits höchstrichterlich geklärt, dass der Status maßgebend ist, den der Soldat im Zeitpunkt seiner Entlassung besitzt9.
Von diesen Grundsätzen ist der Hessische Verwaltungsgerichtshof ausgegangen. Es hat zutreffend angenommen, dass Rechtsgrundlage der Rückforderung § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 i. V. m. § 97 Abs. 1 SG i. d. F. der Neubekanntmachung vom 30.05.200510 (SG 2005) ist. Im maßgebenden Zeitpunkt der Entlassung im Mai 2011 hatte der Soldat den Status eines Berufssoldaten inne. Das Soldatenverhältnis auf Zeit ist im Juli 2007 in das Soldatenverhältnis eines Berufssoldaten umgewandelt worden (vgl. § 39 Nr. 3 SG 2005). Gemäß § 49 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 muss ein Berufssoldat, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten, wenn er auf seinen Antrag vor Ablauf der in § 46 Abs. 3 Satz 1 SG 1995 genannten Dienstzeit entlassen worden ist oder – wie hier – als anerkannter Kriegsdienstverweigerer gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG 1995 als auf eigenen Antrag entlassen gilt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfasst die Vorschrift auch die Kosten für eine Ausbildung, die der ehemalige Berufssoldat im vorangegangenen Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit erhalten hat11. Sie ist nicht auf Ausbildungen beschränkt, die erst im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten absolviert worden sind. Eine besondere Ausbildung im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten sieht das Gesetz nicht vor. In aller Regel erfolgt die Begründung des Dienstverhältnisses eines Berufssoldaten durch Umwandlung eines zuvor bestehenden Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit, über das der Soldat den Einstieg in die Bundeswehr genommen und in dem er typischerweise ein Studium oder eine Fachausbildung absolviert oder begonnen hat12.
Der von der Beschwerde weiter aufgeworfenen Frage, „kann von ehemaligen Soldaten Kostenerstattung für Fachausbildungen verlangt werden, von denen die Bundeswehr während der gesamten Dienstzeit keinen Gebrauch gemacht hat?“ kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Die ihr zugrundeliegende Annahme widerspricht den tatsächlichen Feststellungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Danach setzt die Ausbildung zum Flugsicherungskontrolloffizier der Luftwaffe bei der Bundeswehr – anders als im zivilen Bereich – zwingend ein abgeschlossenes Studium – gleich welcher Fachrichtung – voraus.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. November 2023 – 2 B 9.23
- VG Darmstadt, Urteil vom 18.04.2016 – 1 K 1042/14.DA [↩]
- Hess. VGH, Urteil vom 28.11.2022 – 1 A 870/22 [↩]
- stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24.01.2011 – 2 B 2.11 – NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4; vom 09.04.2014 – 2 B 107.13, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr.20 Rn. 9; und vom 16.04.2020 – 2 B 5.19, NVwZ-RR 2020, 933 Rn. 6 [↩]
- BGBl. I S. 1737 – SG 1995 [↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 11.02.1977 – 6 C 105.74, BVerwGE 52, 70 <73> vom 12.08.1986 – 6 C 115.84, Buchholz 238.4 § 46 SG Nr. 15 S.20; und vom 12.03.2020 – 2 C 37.18, Buchholz 449 § 49 SG Nr. 2 Rn. 9 [↩]
- BVerwG, Urteil vom 12.04.2017 – 2 C 16.16, BVerwGE 158, 364 Rn. 12 und 20 m. w. N. [↩]
- BGBl. I S. 1147 [↩]
- BGBl. I S. 179 [↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 11.02.1977 – 6 C 105.74, BVerwGE 52, 70 <73> zur inhaltsgleichen Vorgängernorm des § 46 Abs. 4 Satz 1 SG 1968 [↩]
- BGBl. I S. 1482 [↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 12.03.2020 – 2 C 37.18, Buchholz 449 § 49 SG Nr. 2 S. 1 Rn. 9, 35 [↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1986 – 6 C 115.84, Buchholz 238.4 § 46 SG Nr. 15 S.19 f. und Beschluss vom 25.02.2021 – 1 WB 32.20, BVerwGE 171, 357 Rn. 23 [↩]