Der Streit um die Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses – und der Rechtsweg

Für Verpflichtungsbegehren, mit denen der Gesamtvertrauenspersonenausschuss die nachträgliche Durchführung des Beteiligungsverfahrens begehrt, ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet.

Maßgeblich für das Verpflichtungsbegehren ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Demzufolge findet das „Gesetz zur Änderung soldatenbeteiligungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften“ vom 29.08.20161 – im Folgenden: SBG 2016 – Anwendung, das am 2.09.2016 in Kraft getreten ist.

Für diesen Antrag ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet.

Sieht sich der Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung (GVPA) in der Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte behindert, so ist ihm hiergegen gemäß § 17 in Verbindung mit § 38 Abs. 3, § 42 Abs. 6 SBG 2016 Rechtsschutz nach der Wehrbeschwerdeordnung gegeben2. Macht der GVPA die Behinderung der ihm nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz eingeräumten Beteiligungsrechte geltend, so ist er hierzu als Gremium berufen. Er kann unmittelbar die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragen, denn seine Rechte beziehen sich auf Grundsatzregelungen des Bundesministeriums der Verteidigung (§ 21 Abs. 1 WBO). Eine Behinderung in der Wahrnehmung dieser Rechte ist dem Bundesministerium der Verteidigung zuzurechnen3.

Möchte der GVPA den Rechtsweg beschreiten, so bedarf es der Beschlussfassung durch die hierzu berufenen Mitglieder. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass an dem Einsatz der Bundeswehr im … nicht nur ein Organisationsbereich (Heer) beteiligt ist. Eine derartige Einschränkung lässt sich den Beschlüssen des Deutschen Bundestages auf der Basis des ersten Antrags der Bundesregierung zur Ausbildungsunterstützung der Sicherheitskräfte der Regierung der Region … und der … Streitkräfte4 und zuletzt des Antrags der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Sicherheitskräfte der Regierung der Region … und der … Streitkräfte5 nicht entnehmen. Deshalb waren für die Beschlussfassung des GVPAs über die Einleitung des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens und die Vertretung dieses Beschlusses nicht die besonderen Anordnungen im § 43 Abs. 3 und § 40 Abs. 2 Satz 3 SBG a.F. zu beachten, die eine Mitwirkung des jeweils betroffenen Organisationsbereichs und seines Bereichssprechers vorschreiben. Der Sprecher des GVPAs hat in seinem Schreiben vom 17.12 2015 an Staatssekretär … dargelegt, dass er durch den Beschluss des Plenums des GVPA in der 156. Sitzung vom 01.10.2015 beauftragt worden sei, ein Wehrbeschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht zur Wahrung der Beteiligungsrechte des GVPA aus § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 Nr. 2 SBG a.F. einzuleiten. Auf der Basis dieses Plenumsbeschlusses (also nicht nur der Gruppe des Organisationsbereichs Heer) hat der Sprecher des GVPAs sodann die Vollmacht für die Bevollmächtigten am 14.01.2016 allein unterzeichnet.

Der Antrag auf Durchführung des Beteiligungsverfahrens hat sich nicht durch Zeitablauf erledigt. Die mit dem Hauptantrag angestrebte Beteiligung des GVPAs zur Einrichtung einer bundeswehreigenen Einsatzkantine im Camp … ist im Fall des Obsiegens des GVPAs noch möglich, weil der Auslandseinsatz der Bundeswehr im … andauert.

Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist er nicht dem Einwand der verspäteten Einlegung ausgesetzt. Das Wehrbeschwerdeverfahren wird im Regelfall und auch in der hier vorliegenden Konstellation eines rechtssuchenden Beteiligungsgremiums der Bundeswehr durch einen Beschwerdeanlass im Sinne des § 6 Abs. 1 WBO ausgelöst. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat oder ein beschwerdeberechtigtes Beteiligungsgremium, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt6. Zwar ist dem GVPA durch das Email-Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung – P III 4 – vom 30.09.2015 dessen definitive Rechtsauffassung mitgeteilt worden, dass ein Beteiligungsrecht des GVPA nach § 37 Abs. 1 SBG a.F. bei Maßnahmen, die ausschließlich die Errichtung, Verwaltung oder Auflösung von Betreuungseinrichtungen eines einzelnen Standortes betreffen, nicht bestehe. Dieses Schreiben war aber ausdrücklich „unabhängig vom konkreten Einzelfall Camp …“ formuliert und sollte nach seinem erklärten Inhalt nur eine beteiligungsrechtliche Stellungnahme des Fachreferats des Ministeriums in Gestalt von „Hinweisen“ an den GVPA kommunizieren. Es konnte mithin nicht eine Rechtsbehelfsfrist auslösen. Das gilt auch unter dem Aspekt, dass dieses Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. Wenn es tatsächlich eine wehrdienstgerichtlich anfechtbare Äußerung des Bundesministeriums der Verteidigung dargestellt hätte, wäre dagegen als Rechtsschutzantrag nur ein Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Betracht gekommen. Hierüber hätte der GVPA aus verfassungsrechtlichen Gründen des effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art.19 Abs. 4 GG) in einer förmlichen Rechtsbehelfsbelehrung informiert werden müssen7.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30. November 2017 – 1 WB 24.16

  1. BGBl. I S.2065 []
  2. ebenso zu den Vorgänger-Vorschriften in § 16 und § 36 Abs. 5 SBG a.F.: stRspr, z.B. BVerwG, Beschluss vom 17.02.2009 – 1 WB 17.08, Buchholz 449.7 § 36 SBG Nr. 1 []
  3. vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.08.1996 – 1 WB 28.96, BVerwGE 103, 383; und vom 09.03.2006 – 1 WB 14.05 []
  4. grundlegend: BT-Drs. 18/3561 vom 17.12 2014 []
  5. BT-Drs. 18/10820 vom 11.01.2017 []
  6. stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 22.06.2017 – 1 WB 43.16 25 m.w.N. []
  7. stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 07.07.2016 – 1 WB 18.16 21 m.w.N. []