Sabbatjahr im öffentlichen Dienst – und das Urlaubsentgelt in der Ansparphase
Die Regelungen in § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L sind wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften (§ 4 Abs. 1 TzBfG) gemäß § 134 BGB nichtig, soweit sie für die Berechnung des Urlaubsentgelts auf das im Urlaubszeitraum vom Arbeitnehmer zu beanspruchende Entgelt auch in den Fällen abstellen, in denen der Arbeitnehmer nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit Urlaub nimmt, der aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt1.
Der Arbeitnehmer in der Ansparphase eines „Sabbatjahres“ ist – ähnlich einem Arbeitnehmer, der Altersteilzeit im Blockmodell leistet2 – seit dem 1.03.2016 teilzeitbeschäftigt. Gemäß dem Änderungsvertrag vom 21.01.2016 beträgt die Regelarbeitszeit des Arbeitnehmers seit dem 1.03.2016 87, 5 % der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit kamen die Parteien überein, dass der Arbeitnehmer sieben Jahre lang seine Arbeitsleistung im bisherigen Umfang erbringt und im achten Jahr von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird.
§ 21 Satz 1 TV-L kann nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass dem Arbeitnehmer für Urlaub, den er vor der Verringerung der Regelarbeitszeit erworben hat, ein Urlaubsentgelt zusteht, das auf der Grundlage des seinerzeitigen Beschäftigungsumfangs zu berechnen ist. Hinsichtlich solchen „Alturlaubs“ führt die Berechnung des Urlaubsentgelts auf der Grundlage des aktuellen Beschäftigungsumfangs zu einer unzulässigen Verkürzung des Entgeltanspruchs (§ 4 Abs. 1 TzBfG). Einziger Grund hierfür ist die Verringerung der Arbeitszeit. Dies bedeutet eine mittelbare Benachteiligung von Teilzeitkräften im Vergleich zu Arbeitnehmern, die in Vollzeit arbeiten3.
Die teilweise Nichtigkeit der Regelungen in § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L hat im Streitfall zur Folge, dass das Urlaubsentgelt nicht auf der Grundlage der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Teilzeitquote, sondern auf der Grundlage der vor der Arbeitszeitreduzierung geltenden Regelarbeitszeit zu ermitteln ist4. Die daraus resultierende Höhe des Urlaubsentgelts ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des Urlaubsentgelts ist jedoch nicht fällig, soweit diese nach der zum Sabbatjahr getroffenen Vereinbarung (hier: Vereinbarung Sabbatjahr SH) bis zum Freistellungsjahr gestundet ist. Dies ergibt regelmäßig eine Auslegung der der Vereinbarung zum Sabbatjahr.
Die Auslegung richtet sich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zur Tarif- und Gesetzesauslegung entwickelt hat5. Die Vereinbarung Sabbatjahr SH ist eine Vereinbarung auf der Grundlage des § 59 MBG Schl.-H.6, die das Finanz-ministerium des beklagten Landes mit den Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften geschlossen hat. Die Vereinbarung entfaltet normative Wirkung (vgl. § 59 Abs. 5 MBG Schl.-H.).
Dem Wortlaut der Regelung unter Ziff. 4.1 der Vereinbarung Sabbatjahr SH (das „nach dem Umfang der gewählten Teilzeitbeschäftigung … entsprechende Entgelt sowohl während der Ansparphase als auch während des Freistellungsjahres“) zufolge, erhält der Arbeitnehmer, der mit dem Arbeitgeber ein Sabbatjahr vereinbart hat, in der Ansparphase lediglich das Entgelt, das der Teilzeitquote während der Gesamtdauer der Vereinbarung entspricht. Die Regelung differenziert nicht zwischen Ansprüchen auf Arbeitsentgelt und solchen auf Urlaubsentgelt.
Auch der systematische Zusammenhang, in den Ziff. 4.1 der Vereinbarung Sabbatjahr SH eingebettet ist, spricht für den Bedeutungsgehalt, der bereits im Wortlaut der Bestimmung angelegt ist. Überscheitet eine Erkrankung des Arbeitnehmers den Entgeltfortzahlungszeitraum, bestimmt Ziff. 2.5 der Vereinbarung Sabbatjahr SH, dass entweder die Freistellungsphase zu verkürzen, die Ausfallzeiten nachzuarbeiten oder die einzelnen Phasen unter Ausklammerung des Ausfallzeitraums in ein neues Verhältnis zueinander zu setzen sind. Sämtliche Varianten deuten darauf hin, dass der Arbeitnehmer ein Arbeitszeitguthaben für die Freistellungsphase erwirbt, in das die Zeiten eingestellt werden, die der Arbeitnehmer gearbeitet, für die er aber keine Vergütung erhalten hat.
Diese Auslegung entspricht schließlich dem Sinn und Zweck der Regelung. Ziff. 4.1 der Vereinbarung Sabbatjahr SH will gewährleisten, dass der Arbeitnehmer sowohl während der Ansparphase als auch während der Freistellungsphase das Entgelt eines Teilzeitbeschäftigten erhält. Die Verstetigung der Entgeltzahlung über die Ansparphase hinaus wird durch die Wertstellung der über die Teilzeitquote hinausgehenden Arbeitszeit erreicht. Im Ergebnis tritt ein Arbeitnehmer, der von der durch die Vereinbarung Sabbatjahr SH eröffneten Möglichkeit, seine Regelarbeitszeit zu verringern, Gebrauch macht, ähnlich einem Arbeitnehmer im Blockmodell der Altersteilzeit in der Ansparphase mit seiner vollen Arbeitsleistung im Hinblick auf die sich anschließende Freistellungsphase in Vorleistung. Er erarbeitet sich ein Arbeitszeitguthaben, das nicht im Monat der Arbeitsleistung, sondern erst in der Freistellungsphase vergütet wird7. Dies gilt sowohl für Zeiten der Arbeitsleistung als auch für Zeiten, in denen der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer Vergütung zu zahlen hat, obwohl der Arbeitnehmer – wie in Zeiten des Urlaubs – nicht gearbeitet hat.
In dieser Auslegung verstößt Ziff. 4.1 der Vereinbarung Sabbatjahr SH nicht gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit liegt vor, wenn der Umfang der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft8.
der Vereinbarung Sabbatjahr SH stellt nicht auf den Umfang der Arbeitszeit, sondern allein auf deren Lage ab. Differenzierungskriterium ist damit nicht der Umstand, dass der Arbeitnehmer einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, sondern allein die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer während des letzten Jahres des acht Jahre umfassenden Zeitraums von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt ist9.
Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten. Die Stundung des Urlaubsentgeltanspruchs im Umfang von 12, 5 % lässt den Anspruch als solchen unberührt und führt lediglich dazu, dass dem Arbeitnehmer ein Teil des Urlaubsentgelts nicht im Urlaubszeitraum zur Verfügung steht. Der Gerichtshof geht davon aus, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) bestimme nicht den Zeitpunkt, zu dem das Entgelt für den Jahresurlaub an den Arbeitnehmer zu zahlen sei. Die diesbezügliche Festlegung obliege vielmehr den Mitgliedstaaten10. Soweit Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie dieser Festlegung Grenzen zieht, überschreitet Ziff. 4.1 der Vereinbarung Sabbatjahr SH diese nicht. Vielmehr stellt die Regelung für die gesamte Laufzeit der Vereinbarung sicher, dass der Arbeitnehmer ein Urlaubsentgelt erhält, das seiner Höhe nach der Vergütung entspricht, die er im Falle geleisteter Arbeit erhalten hätte11.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2018 – 9 AZR 159/18
- BAG 20.03.2018 – 9 AZR 486/17, Rn. 11, 21 angesichts der Vorgaben des EuGH im Urteil vom 22.04.2010 – C-486/08 – [Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols] Rn. 35 [↩]
- sh. hierzu BAG 19.01.2016 – 9 AZR 564/14, Rn. 26 [↩]
- vgl. BAG 20.03.2018 – 9 AZR 486/17, Rn. 11, 15, 22 [↩]
- vgl. BAG 20.03.2018 – 9 AZR 486/17, Rn. 10 [↩]
- vgl. hierzu BAG 26.09.2017 – 1 AZR 717/15, Rn. 24, BAGE 160, 237 [↩]
- vgl. zur Verfassungsgemäßheit dieser Bestimmung BVerfG 24.05.1995 – 2 BvF 1/92, zu D der Gründe, BVerfGE 93, 37 [↩]
- vgl. zur Altersteilzeit im Blockmodell BAG 19.01.2016 – 9 AZR 564/14, Rn. 26; 17.11.2015 – 9 AZR 509/14, Rn. 30 [↩]
- vgl. BAG 19.01.2016 – 9 AZR 564/14, Rn. 15; 10.02.2015 – 9 AZR 53/14 (F), Rn. 17, BAGE 150, 345 [↩]
- vgl. BAG 19.01.2016 – 9 AZR 564/14, Rn.19 [↩]
- vgl. EuGH 16.03.2006 – C-131/04 und – C-257/04 – [Robinson-Steele ua.] Rn. 54, 56 [↩]
- vgl. zu diesem Erfordernis EuGH 16.03.2006 – C-131/04 und – C-257/04 – [Robinson-Steele ua.] Rn. 57, 59 [↩]