Der Polizist als Ratsmitglied – oder: Ratstätigkeit ist keine Arbeitszeit

Ein im Wechselschichtdienst tätiger Polizeibeamter aus dem Kreis Lippe, der sich als Ratsherr ehrenamtlich engagiert, hat keinen Anspruch auf die hälftige Anrechnung der Zeiten der Mandatsausübung auf seine Arbeitszeit.

In dem hier vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall forderte der klagende Polizeibeamte vom beklagten Land Nordrhein-Westfalen, dass knapp 120 Stunden für die Ausübung seiner Tätigkeit als Ratsherr im Rat seiner Heimatstadt in den Jahren 2013 bis 2017 seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden. Dabei berief er sich auf eine in der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung verankerte Vorschrift, die eine solche hälftige Anrechnung von Zeiten der Mandatsausübung auf die Arbeitszeit bei Mandatsträgern mit flexiblen Arbeitszeiten vorsieht.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Verwaltungsgericht Minden gab der Klage des Polizeibeamten statt1. Die dagegen gerichtete Berufung des Landes war vor dem Oberverwaltungsgericht iln Münster erfolgreichl:

Beamte können sich zwar grundsätzlich auf die Anrechnungsnorm – § 44 Abs. 2 Satz 4 der Gemeindeordnung – berufen. Der Anwendungsbereich der Regelung ist insbesondere nicht auf Arbeitnehmer in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis beschränkt. Allerdings erfüllt der klagende Polizeibeamte nicht die Voraussetzungen für eine Anrechnung der Zeiten der Mandatstätigkeiten auf die Arbeitszeit.

Die Norm gewährt eine solche Anrechnung nur Mandatsträgern mit flexibler Arbeitszeit, die über die Lage und Dauer ihrer Arbeit in einem vorgegebenen Arbeitszeitrahmen flexibel entscheiden können. Das ist bei Polizeibeamten, die – wie der hier klagende Polizist – im Schicht- bzw. Wechselschichtdienst tätig sind, nicht der Fall. Sie verrichten ihren Dienst in einer der drei vorgegebenen Schichten im Früh-, Spät- oder Nachtdienst. Damit besteht kein Arbeitszeitrahmen im Sinne einer Begrenzung des frühestmöglichen Beginns und des spätestmöglichen Endes der täglichen Arbeitszeit. Die Annahme eines den ganzen Tag umfassenden Arbeitszeitrahmens würde überdies dazu führen, dass die Mandatstätigkeit nie in der Freizeit ausgeübt wird, sondern stets einen (hälftigen) Anrechnungsanspruch auslöst, wie es der Polizeibeamte seiner Forderung auch zugrunde gelegt hat. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass die Mandatswahrnehmung als ehrenamtliche Tätigkeit in der Regel in der Freizeit auszuüben ist.

Der klagende Polizist kann zudem nicht über Lage und Dauer seiner täglichen Arbeitszeit entscheiden. Dauer, Beginn und Ende der Schichten sind ihm vorgegeben. Auch hinsichtlich der Lage der täglichen Arbeitszeit reicht es nicht aus, dass der Beamte Wünsche äußern kann, welche Schicht er versehen will, selbst wenn diesen in aller Regel entsprochen wird. Maßgeblich ist, dass dem Dienstherrn die Letztentscheidung der Schichtplanung obliegt.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein -Westfalen, Urteil vom 21. Juli 2022 – 6 A 2599/20

  1. VG Minden – 4 K 4693/18 []