Hauptstadtzulage bis A13

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die sogenannte Hauptstadtzulage (Art. 3 Nr. 2 des Haushaltsumsetzungsgesetzes vom 11.06.20201) wegen fehlender Rechtswegerschöpfung als unzulässig zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist Beamter der Besoldungsgruppe A 16. Er macht geltend, dass die nur für Beamten bis einschließlich der Besoldungsgruppe A 13 geltende monatliche Hauptstadtzulage in Höhe von 150,- Euro gegen das in Art. 10 Abs. 1 der Verfassung von Berlin verankerte Willkürverbot verstoße. Es gebe keinen Grund für eine Ungleichbehandlung der Beamten bis zur Besoldungsgruppe A 13 und derjenigen der Besoldungsgruppen über A 13.

Die Verfassungsbeschwerde blieb vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin ohne Erfolg. Ihrer Zulässigkeit stehe, so der Verfassungsgerichtshof, § 49 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – entgegen . Ein Fall, in dem ausnahmsweise von der Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG abgesehen werden kann, sei nicht gegeben:

Der vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde von dem Beschwerdeführer auszuschöpfende fachgerichtliche Rechtsweg ist nicht erschöpft, § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG. Die Vorschrift verpflichtet den Beschwerdeführer, vor Anrufung des Verfassungsgerichtshofes grundsätzlich einen ihm gegebenen Rechtsweg zu beschreiten. Das gilt bei einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz nicht nur dann, wenn das Gesetz einen Auslegungs- oder Entscheidungsspielraum offenlässt, sondern auch, wenn ein solcher Spielraum fehlt2. Es entspricht dem in § 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass die für das jeweilige Rechtsgebiet zuständigen Fachgerichte vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde eine Klärung insbesondere darüber herbeiführen, ob und in welchem Ausmaß der Bürger durch die von ihm beanstandete Regelung konkret in seinen Rechten betroffen wird und ob sie mit der Verfassung vereinbar ist3. Der Beschwerdeführer muss sich daher vorliegend grundsätzlich darauf verweisen lassen, sein Begehren nach Stellung eines entsprechenden Antrags bei seinem Dienstherrn zunächst vor den Verwaltungsgerichten zu verfolgen. Dies gilt umso mehr, als dort Streitgegenstand nicht die von dem Beschwerdeführer in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gerückte Frage ist, ob Art. 3 Nr. 2 des Haushaltsumsetzungsgesetzes 2020 über die Gewährung einer Hauptstadtzulage gegen das Willkürverbot aus Art. 10 Abs. 1 VvB verstößt, sondern ob die Regelung dazu führt, dass seine Besoldung absolut oder im Vergleich zur Besoldung anderer Beamter mit der Verfassung von Berlin unvereinbar ist.

Die Voraussetzungen, unter denen der Verfassungsgerichtshof gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG ausnahmsweise über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde in der Sache entscheiden kann, liegen nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne der genannten Bestimmung droht. Wegen des Ausnahmecharakters dieser Einschränkung des Subsidiaritätsgrundsatzes und der deshalb geforderten Schwere des Nachteils können wirtschaftliche Belastungen einen solchen nur vermitteln, wenn sie ein existenzbedrohendes Ausmaß erreichen4. Solches ist hier weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Der Verfassungsbeschwerde kommt auch keine allgemeine Bedeutung zu. Allgemeine Bedeutung hat eine Verfassungsbeschwerde, wenn ihr Bedeutung über den anhängigen Einzelfall hinaus zukommt. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Verfassungsbeschwerde Anlass bietet, grundsätzlich verfassungsgerichtlich noch nicht geklärte Fragen zu beantworten, oder vergleichbare Streitfragen auch anderswo zur Entscheidung anstehen, durch die Entscheidung mithin über den Einzelfall hinaus Klarheit in gleichgelagerten Fällen geschaffen werden kann. Dagegen reicht es nicht aus, dass von einer gesetzlichen Regelung – wie stets – eine Vielzahl von Adressaten betroffen ist, sonst verlöre dieses Kriterium seinen Ausnahmecharakter5. Dass ihr allgemeine Bedeutung in diesem Sinne zukommen könnte, zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf. Sie betrifft mit den dem Berliner Besoldungsrecht unterliegenden Beamten zwar eine Vielzahl von Personen. Ungeklärte verfassungsrechtliche Rechtsfragen zeigt sie dagegen ebenso wenig auf, wie vergleichbare Streitfragen, die anderswo zur Entscheidung anstehen. Insbesondere sind die Maßstäbe für die Anwendung des Willkürverbots aus Art. 10 Abs. 1 VvB bereits geklärt.

Zudem fällt die dem Verfassungsgerichtshof nach § 49 Abs. 2 Satz 2 VerfGHG bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vorschrift eröffnete Abwägungsentscheidung gegen eine sofortige Entscheidung aus. Die Rechtslage ist hinsichtlich des einfachen Rechts durch die Fachgerichte noch nicht hinreichend vorgeklärt. Insoweit ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht nur die von ihm angegriffene Vorschrift in den Blick zu nehmen, sondern das gesamte für ihn einschlägige Besoldungsrecht. Die bei normalem Lauf der Dinge zu erwartende Verfahrensdauer ist ihm zuzumuten.

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 17. November 2021 – VerfGH 12/21

  1. GVBl. S. 535 []
  2. vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 02.04.2004 – VerfGH 212/03 31; zum Bundesrecht: BVerfG, Beschlüsse vom 01.07.1981 – 1 BvR 874/77 u. a. 84; und vom 29.09.2000 – 2 BvR 1507/96 5 f.; st. Rspr. []
  3. vgl. Beschluss vom 02.04.2004, a. a. O. 32; zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 15.10.1985 – 2 BvR 1808/82 u. a. 32 []
  4. vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 26.05.2009 – VerfGH 43/09, 43 A/09 13 []
  5. vgl. VerfGH Berlin, Urteil vom 04.03.2009 – VerfGH 199/06 81 []