Konkurrentenklage im öffentlichen Dienst – und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

Bei einem auf die Vergabe eines öffentlichen Amtes nach Art. 33 Abs. 2 GG gerichteten Konkurrentenstreitverfahren handelt es sich nicht stets um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeiten handelt, für die der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

Während den Verwaltungsgerichten öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zur Entscheidung zugewiesen sind (§ 40 Abs. 1 VwGO), sind die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird1. Nicht entscheidend ist, ob sich die klagende Partei auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft2. Das Rechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet3. Öffentlich-rechtlicher Natur sind Rechtsnormen, die einen öffentlichen Verwaltungsträger als solchen berechtigen und verpflichten, ihn also zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen4.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG als solcher weder von vornherein öffentlich-rechtlicher noch bürgerlich-rechtlicher Natur.

33 Abs. 2 GG sichert anhand der dort genannten Kriterien den Anspruch auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und deren Durchführung. Dieser Verfahrensanspruch als solcher hat je nach Bewerberfeld – Arbeitnehmer, Selbstständige oder Beamte – und dem ausgeschriebenen öffentlichen Amt – nach Tarifvertrag oder nach Statusamt oder offen nach beiden Möglichkeiten – öffentlich-rechtlichen oder bürgerlich-rechtlichen Charakter5.

Ausschlaggebend für die Zuordnung als öffentlich-rechtliche bzw. bürgerlich-rechtliche Streitigkeit ist weder die abstrakte Möglichkeit, den Beamtenstatus zu erlangen noch allein die Frage des Zugangs zu einem öffentlichen Amt nach den materiellen Kriterien von Art. 33 Abs. 2 GG. Für die Bestimmung des Rechtswegs ist unerheblich, dass die Einstellungskörperschaft Hoheitsträgerin ist und eine zu besetzende Stelle die Qualität eines öffentlichen Amtes iSv. Art. 33 Abs. 2 GG hat6. Denn ein öffentliches Amt kann sowohl an einen Arbeitnehmer mittels Arbeitsvertrags vergeben werden als auch einem Beamten durch die Übertragung eines Statusamtes verliehen werden. Wie die Antragsgegnerin dabei handelt – öffentlich-rechtlich als Dienstherr durch die Verleihung eines Statusamtes oder bürgerlich-rechtlich als Arbeitgeberin durch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, ist außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 33 Abs. 4 GG ihr überlassen. Art. 33 Abs. 2 GG wendet sich an „staatliche Arbeitgeber“ nur dann in ihrer hoheitlichen Funktion als Dienstherr, wenn es um die Verleihung eines öffentlichen Amtes durch Begründung eines Beamtenverhältnisses geht. Dagegen wird dieselbe Körperschaft als private Arbeitgeberin und nicht als Trägerin hoheitlicher Gewalt nach Art. 33 Abs. 2 GG bei der Vergabe eines öffentlichen Amtes durch Arbeitsvertrag verpflichtet7.

Bei dem Streit um die Vergabe eines öffentlichen Amts nach Art. 33 Abs. 2 GG ist für die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs wie folgt zu differenzieren:

  • Geht es um die Auswahlentscheidung für eine Stelle, von der noch nicht klar ist, in welcher konkreten Organisationsform (als Statusamt oder durch Arbeitsvertrag) sie vergeben wird, ist im Fall einer gemischten Bewerberkonkurrenz nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, wenn ein Beamter um Rechtsschutz nachsucht oder ein – auch nichtbeamteter – Dritter sich gegen die Auswahlentscheidung zugunsten eines Beamten wendet8. Der Bewerbungsverfahrensanspruch hat nur dann für alle Mitbewerber – unabhängig von ihrem Status als Arbeitnehmer, Selbstständige oder Beamte – einen einheitlichen öffentlich-rechtlichen Charakter iSv. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wenn der von der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG für ein Statusamt Betroffene entweder unterlegener Beamter ist oder er als beamteter oder nichtbeamteter Antragsteller um Rechtsschutz gegen die Auswahl des erfolgreichen Beamten nachsucht. In einem solchen Fall ist nämlich – unabhängig vom Ergebnis der konkreten Auswahlentscheidung – der verfahrensrechtliche Sonderstatus eines zum Bewerberkreis um das öffentliche Amt gehörenden Beamten unmittelbar betroffen. Die Auswahl eines Dritten bei der Vergabe des öffentlichen Amtes berührt sein Sonderstatusverhältnis als Beamter nicht nur dann, wenn seine Bewerbung um dieses Amt unberücksichtigt bleibt, sondern umgekehrt auch dann, wenn ein unterlegener Dritter, gleich welchen Status er inne hat, die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beamten angreift9. Dem Beamten steht dabei nicht nur wie dem nicht beamteten Bewerber ein Anspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG auf Einbeziehung und Berücksichtigung bei der bestmöglichen Besetzung zu (sog. Bestenauswahl; stRspr, vgl. BAG 28.01.2020 – 9 AZR 91/19, Rn. 27; BVerwG 19.03.2015 – 2 C 12.14, Rn. 49). Der Beamte ist vielmehr durch die Auswahlentscheidung zusätzlich in seinem beamtenspezifischen grundrechtsgleichen Recht auf „ein angemessenes berufliches Fortkommen“ unmittelbar betroffen. Dieses Recht leitet das Bundesverfassungsgericht aus Art. 33 Abs. 2 GG iVm. den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG her10. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums iSv. Art. 33 Abs. 5 GG gehört ua. das Laufbahnprinzip, wonach für die Einstellung und das berufliche Fortkommen des Beamten als Ausdruck des Leistungsprinzips Laufbahnen mit jeweils typisierten Mindestanforderungen bestehen11. Eine entsprechende arbeitsrechtliche Rechtsgrundlage des Besetzungsverfahrens für ein in Streit stehendes öffentliches Amt gibt es nicht12.
  • Demgegenüber handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG eröffnet ist, wenn die Stellenausschreibung auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses und nicht – jedenfalls nicht unmittelbar – auf die eines Beamtenverhältnisses ausgerichtet ist. Für das Verfahren um die Besetzung einer Stelle im Arbeitsverhältnis des öffentlichen Dienstes sind die Arbeitsgerichte zuständig, unabhängig davon, ob der Bewerber Beamter oder Arbeitnehmer ist13. Um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt es sich auch dann, wenn die Stelle offen ausgeschrieben ist, sich ausschließlich Arbeitnehmer beworben haben und die Stelle nach der Auswahlentscheidung mit einem Mitbewerber des Antragstellers durch Abschluss eines Arbeitsvertrags besetzt werden soll14.

Im vorliegenden Fall war das Bundesarbeitsgericht allerdings an einer eigenen Sachentscheidung gehindert (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Ob es sich bei dem auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahren um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG handelt, für das die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig sind oder um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit iSd. § 40 Abs. 1 VwGO, für die der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, steht derzeit nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat – ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt konsequent – keine Feststellungen zum Bewerberkreis und zum (weiteren) Inhalt der Auswahlentscheidung der Beklagten getroffen. Das Bundesarbeitsgericht vermag deshalb auf der Grundlage der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen, ob der Rechtsstreit in die Entscheidungszuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fällt. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht zur erneuten Entscheidung (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO) über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs. Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung der Sache den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren und aufzuklären haben, ob ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind oder eine der Fallkonstellationen gegeben ist, bei denen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. In diesem Zusammenhang ist die Beklagte aufzufordern, sich zum Bewerberkreis zu erklären und mitzuteilen, ob die Stelle dem von ihr ausgewählten Mitbewerber im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder eines Beamtenverhältnisses übertragen werden soll.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Juli 2021 – 9 AZB 19/21

  1. GmS-OGB 29.10.1987 – GmS-OGB 1/86, zu III 1 der Gründe; 10.04.1986 – GmS-OGB 1/85, zu III 1 der Gründe; BAG 11.06.2003 – 5 AZB 1/03, zu II 2 der Gründe, BAGE 106, 269; BVerwG 26.05.2010 – 6 A 5.09, Rn. 17; BGH 14.07.2011 – III ZB 75/10, Rn. 12 []
  2. vgl. BAG 4.09.2018 – 9 AZB 10/18, Rn. 15; 16.02.2000 – 5 AZB 71/99, zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 310; BVerwG 26.03.2018 – 7 B 8.17, Rn. 5 []
  3. BAG 4.09.2018 – 9 AZB 10/18, Rn. 17; 1.08.2017 – 9 AZB 45/17, Rn. 9, BAGE 160, 22; 22.11.2016 – 9 AZB 41/16, Rn. 9 mwN []
  4. st. Rspr., vgl. GmS-OGB 10.07.1989 – GmS-OGB 1/88, zu 3 der Gründe; BAG 4.09.2018 – 9 AZB 10/18, Rn. 17; BVerwG 21.11.2016 – 10 AV 1.16, Rn. 5 []
  5. BVerwG 17.03.2021 – 2 B 3/21, Rn.19 []
  6. zum Begriff des öffentlichen Amtes vgl. BAG 12.04.2016 – 9 AZR 673/14, Rn. 16 mwN, BAGE 155, 29 []
  7. vgl. BAG 15.04.2021 – 9 AZB 92/20, Rn. 17; BVerwG 17.03.2021 – 2 B 3/21, Rn. 18 []
  8. vgl. BVerwG 17.03.2021 – 2 B 3/21, Rn.19 []
  9. BVerwG 17.03.2021 – 2 B 3/21, Rn.20 []
  10. BVerfG 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13, Rn. 31, 36 []
  11. vgl. näher BVerfG 12.02.2003 – 2 BvR 709/99 []
  12. BVerwG 17.03.2021 – 2 B 3/21, Rn. 21 f. []
  13. vgl. BVerwG 19.07.2017 – 2 A 9.16, Rn. 6 f. []
  14. BVerwG 17.03.2021 – 2 B 3/21, Rn. 12 f. []