Richterliches Erledigungspensum – oder: die Ermahnung eines besonders langsamen Richters
Der Richter untersteht nach § 26 DRiG einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. Die Dienstaufsicht umfasst in diesem Rahmen auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Dies rechtfertigt es auch, dass die Präsidentin eines Gerichts einem Richter mit signifikat unter dem Durchschnittspensum aller Richter liegenden Erledigungsrate dieses vorhält und ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung seiner Amtsgeschäfte anhält.
In dem hier vom Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes entschiedenen Fall ging es um einen Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe, dem die seinerzeitige OLGPräsidentin die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte vorgehalten und ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnt hatte. Der Richter unterschreite, so die OLGPräsidentin, seit Jahren ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche das Durchschnittspensum. Im Jahre 2011 habe er sogar weniger Verfahren erledigt als dies der durchschnittlichen Leistung einer Halbtagsrichterin/eines Halbtagsrichters am Oberlandesgericht entspreche.
Der Richter hat daraufhin beim Dienstgericht für Richter beim Landgericht Karlsruhe beantragt, den Vorhalt und die Ermahnung für unzulässig zu erklären, weil sie ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigten und eine Änderung seiner Rechtsprechung herbeiführen sollten. Das Dienstgericht hat den Antrag zurückgewiesen1. Auch die Berufung des Richters ist beim Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart ohne Erfolg geblieben2. Auf die Revision des Richters hat das Dienstgericht des Bundes das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Dienstgerichtshof zurückverwiesen3. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Richters hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen4.
Nach Einholung ergänzender Stellungnahmen des Antragsgegners zu den erhobenen Zahlen hat der Dienstgerichtshof BadenWürttemberg die Berufung des Richters erneut zurückgewiesen5, wogegen der Richter erneut Revision beim Dienstgericht des Bundes einlegt. Diese weitere Revision des Richters hatte nun jedoch keinen Erfolg, der Bundesgerichtshof bestätigte das Stuttgarter Urteil:
Ein Dienstvorgesetzter darf einen Richter, dessen Arbeitsweise zu Unzuträglichkeiten in der Verfahrensabwicklung in seinem richterlichen Dezernat geführt hat, grundsätzlich zu einer ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnen und ihm eine ordnungswidrige verzögerte Ausführung vorhalten.
Die richterliche Unabhängigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes erst dann beeinträchtigt, wenn dem Richter direkt oder indirekt ein Pensum abverlangt wird, welches sich allgemein, also auch von anderen Richtern vergleichbarer Position, sachgerecht nicht mehr bewältigen lässt. Das ist nach der ergänzenden Prüfung des Dienstgerichtshofs hier nicht der Fall. Danach sind die dem Vorhalt zugrunde gelegten Vergleichszahlen zutreffend und nicht für den Richter nachteilig ermittelt worden und zeigen, dass ihm kein Arbeitspensum abverlangt wird, welches sich auch von anderen beisitzenden Richtern am Oberlandesgericht sachgerecht, d.h. ohne Zuhilfenahme pflichtwidriger Praktiken, nicht erledigen lässt. Diese Feststellungen waren aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Mai 2020 – – RiZ (R) 3/19